3. Thomas Gronert, TÜV Nord: Neue ECE-Räderrichtlinie - was bedeutet sie für Tuner ?
Erst einmal zur Begriffsbestimmung: Im Gegensatz zur EG-Richtlinie, die nur im EU-Bereich angewendet wird, gilt die ECE-Regelung für einen deutlich größeren geografischen Bereich. Jeder Staat kann, muss aber nicht die ECE-Regelungen anwenden. Die neue ECE-Räderrichtlinie gibt es bisher nur im Entwurf. Es läuft derzeit eine 6-monatige Einspruchsfrist und es ist vorgesehen, die Regelung Anfang 2007 einzuführen. Als Anwendungsbereich wurden PKW, Geländewagen und Anhänger festgelegt, mit diesen Einschränkungen:
Sie gilt nicht für Erstausrüstungsräder (OE-Räder) oder für Nachrüsträder des Fahrzeugherstellers und auch nicht für Sonderräder nach Absatz 2.5., mit dem Nachsatz "für die weiterhin eine nationale Genehmigung vorgesehen ist". Das zeigt schon die M*****richtung der vorgesehenen ECE-Regelung.
Hier weitere Begriffsbestimmungen:
Die ECE-Regelung beschäftigt sich im wesentlichen mit Nachrüsträdern, die da sind: Räder für Erstausrüstung, bzw. Räder des Fahrzeugherstellers, die uns hier nicht interessieren, d.h. Räder des Fahrzeugsherstellers als Ersatz oder nachträgliche Umrüstung z.B. von Stahl- auf Aluräder. Weiterhin gibt es identische Nachrüsträder, die der Fahrzeughersteller auch verwendet, nur werden sie nicht von ihm, sondern von Räderherstellern gebaut und vertrieben - in unserer nationalen Richtlinie bekannt als Identräder.
Dann kommen nachgebaute Nachrüsträder, also mit Identrädern ähnliche Räder, nur in diesem Fall von einem anderen Räderhersteller, aber mit der gleichen Radkontur und den gleichen Maßen wie das Identrad und insofern vergleichbar.
Das letzte sind sogenannte ähnlich gebaute Nachrüsträder, d.h. hier müssen Funktionsmaße überein- stimmen, aber man hat die Möglichkeit, vom Design und der Innenkontur abzuweichen. Hier werden bei der Genehmigung weitere Prüfungen erforderlich. Und jetzt erst kommt der für Sie interessante Part, nämlich die Definition der Sonderräder, und ist ganz einfach alles das, was nicht Nachrüsträder sind. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, was diese ECE-Regelung für Sie (die Tuningbranche) bedeutet. Der erste Entwurf kann als gesichert angesehen werden, dass er so wie formuliert in Kraft treten wird. Er ist aber für die Tuningbranche zumindest national nicht von Bedeutung, da wohl kaum ein Tuner ein nachgebautes Identrad verkauft. Dazu kommt noch ein wichtiger Punkt: Ein nachgebautes Identrad darf ja auch nur mit Serienbereifung gefahren werden. Höchstens im Bereich von Winterrädern könnte die ECE-Regelung interessant sein, da man diese dann mit ECE-Genehmigung anbieten kann. Aber man hat außer dem Design nichts an freien Möglichkeiten, was man verändern könnte.
Deshalb zum Vergleich: Unsere deutsche Räderrichtlinie deckt sowohl Nachrüst- als auch Sonderräder ab, und hat entgegen der ECE-Regelung - was vielleicht bisher niemand richtig verstanden hat - das Design als Typ-Abgrenzungsmerkmal. Das heißt, bei der ECE könnte man mehrere Designs in einer Genehmigung zusammenfassen, weil die Maße alle gleich sind. Zusammenfassend heißt das, die ECE-Regelung, wie sie kommen wird in 2007, wird eine Regelung sein für Nachrüsträder, die im wesentlichen unseren heutigen Identrädern entsprechen. Für Tuner wird weiter unsere nationale Räderrichtlinie maßgebend sein, um entweder eine nationale Genehmigung über KBA, sprich ABE, oder über Teilegutachten und entsprechende Verwendungsgutachten zu erlangen, mit den Einschränkungen, die es nach wie vor für den europäischen bzw. überhaupt ausländischen Markt gibt. Eine Anerkennung unserer deutschen Gutachten bleibt nach wie vor fraglich bzw. nicht gesichert.
Der Ausblick ist sicherlich der, dass man eine Annäherung von dieser ersten Form der ECE-Räderreglung zur deutschen nationalen Reglung versuchen wird, da gibt's noch viele Diskussionspunkte. Einer davon ist sicherlich schon mal, warum man das Design nicht als Typabgrenzungsmerkmal in den ersten Entwurf mit hereingenommen hat. Die Entwicklung kann in beide Richtungen gehen, EG-Anpassung an deutsche, nationale Richtlinien oder umgekehrt, oder die Zukunft wird dazwischen liegen.
Abschließend ist also zu sagen, dass es sich derzeit für die Tuner nicht lohnt, in Richtlinien- und Prüfungsdetails der neuen EG-Räderrichtlinien einzusteigen. Zum einen sind diese sowieso ähnlich den bisherigen deutschen, und zum andern (siehe oben) betrifft es die "Tunerräder" in der jetzigen Fassung nicht.
Auf die Frage von Prof. Bodo Buschmann "Kann man also zusammenfassend sagen: Keine Gefahr für die Tuningbranche?" antwortet Herr Gronert: "Das ist richtig!"
Auf die Frage von GF H.-J. Köninger " Ist es für die Tuningbranche nicht sinnvoll, in der Zukunft auf eine Ergänzung der ECE-Regelung in Richtung Sonderräder hinzuwirken?" antwortet Herr Gronert: "Im Prinzip ja, aber man muss da vorsichtig taktieren, denn der Schuss könnte auch nach hinten losgehen. Mit einer ECE-Regelung für Sonderräder würde sich der europäische Rädermarkt natürlich erweitern."
Auf eine weitere Frage aus dem Publikum "Wie lange würde solch ein Prozess dauern" meint Herr Gronert: "Mit Sicherheit mehrere Jahre, da ja alle beteiligten Nationen mitwirken und entscheiden müssen. Man muss sich da sicherlich auf eine gewisse Schleichfahrt einstellen".